Crohn-Colitis-Zentrum
Ein Schwerpunkt von Intesto ist die Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in unserem Crohn-Colitis-Zentrum an den Standorten Bern und Freiburg.
Leiter des Crohn-Colitis-Zentrums ist Prof. Frank Seibold. Er gehört zu den führenden Fachkräften im Bereich der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Als Mitglied der European Crohn’s and Colitis Organisation ECCO pflegt Prof. Seibold den regelmässigen Austausch mit anderen Crohn- und Colitis-Spezialisten aus ganz Europa und den USA, um neue Therapiestandards festzulegen. Dank der Beteiligung an klinischen Studien sind wir in der Lage, unseren Patienten innovative Medikamente und Therapiekonzepte anzubieten, auf die sie sonst kaum Zugriff hätten.
Wir legen Wert auf eine professionelle, interdisziplinäre und individualisierte Betreuung und verfügen über speziell ausgebildete Fachpflegekräfte für chronisch entzündliche Darmerkrankungen (IBD-Nurse).
Laufende Studien
Als Mitglied in der ECCO (European Crohn’s and Colitis Organisation) trifft sich Prof. Seibold regelmässig mit anderen Crohn- und Colitis-Spezialisten aus ganz Europa und den USA, um neue Therapiestandards festzulegen. In unserem Zentrum haben Sie die Möglichkeit, von bisher nicht zugelassenen Präparaten zu profitieren. Diese werden jedoch nur im Rahmen von klinischen Studien abgegeben.
Weitere Informationen finden Sie unter diesem Link: https://www.ibdsg.ch/studien/
1. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Was sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen?
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen gelegentlich als CED (chronisch entzündliche Darmerkrankungen) oder IBD (inflammatory bowel disease) bezeichnet, sind chronische Erkrankungen des Darmes. Es wird zwischen dem Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa unterschieden. Beide Erkrankungen umfassen eine chronische, schubweise verlaufende Entzündung im Darm. Bei Morbus Crohn kann die Entzündung im gesamten Verdauungstrakt zwischen Mund und After auftreten, während bei Colitis ulcerosa die Entzündung auf den Dickdarm begrenzt bleibt. Diese Erkrankungen können in jedem Lebensalter auftreten. Häufig findet sich ein erster Schub zwischen dem 18. und dem 30. Lebensjahr, jedoch auch in höherem Alter sind erste Schübe zu sehen. Ca. 2 von 1000 Einwohnern in der Schweiz leiden an einer solchen Erkrankung.
Welche Symptome haben Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen?
Bauchschmerzen oder Durchfall sind die häufigsten Beschwerden bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Blutige Durchfälle finden sich vor allen Dingen bei Patienten mit Colitis ulcerosa. Der Morbus Crohn kann sehr unterschiedliche Symptome aufweisen. Zum einen können Durchfälle im Vordergrund stehen, zum anderen aber auch Krämpfe oder Bauchschmerzen, die häufig aufgrund von Verengungen im Darm entstanden sind. Viele Patienten leiden unter relativ unspezifischen Zeichen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Fieber und Gewichtsverlust. Bei einem Teil der Patienten treten Schmerzen im Enddarm auf, die vor allen Dingen vor der Stuhlentleerung besonders heftig sind (sogenannte Tenesmen). Auch Begleiterkrankungen (siehe unten) können Zeichen für das Vorliegen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung sein.
Welche Begleiterkrankungen können bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auftreten?
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen können nicht nur im Darm sondern auch in andern Organsystemen auftreten. Diese bezeichnet man als extraintestinale Manifestationen. In diesem Rahmen kann es unterschiedliche Hautveränderungen geben, Entzündungen in den Augen, relativ häufig sind die Gelenke betroffen. In seltenen Fällen kann eine ganze Reihe weiterer Organe durch eine chronisch entzündliche Darmerkrankung angegriffen werden.
Welche Ursachen haben chronisch entzündliche Darmerkrankungen?
Leider ist es bis heute nur teilweise bekannt, wie es zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen kommt. Weltweit beschäftigen sich viele Arbeitsgruppen mit dieser Thematik, und erfreulicherweise werden jährlich neue relevante Forschungsergebnisse bekannt. Drei wesentliche Ursachen führen miteinander zum Auftreten von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen: Umweltfaktoren, Veränderungen in der Erbsubstanz und Störungen im Immunsystem. Seit langem ist durch Familienuntersuchungen und Zwillingsforschungsprojekten bekannt, dass Morbus Crohn und Colitis ulcerosa innerhalb von betroffenen Familien häufiger auftreten als in der Normalbevölkerung. Dieses gilt insbesondere für den Morbus Crohn. In zum Teil aktuell noch laufenden Projekten wurde die Erbsubstanz von Hunderten von Patienten analysiert. Dabei konnten über zwanzig Veränderungen in der Erbsubstanz gefunden werden, welche das Auftreten von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa begünstigen. Es ist darauf hinzuweisen, dass bei Vorliegen einer solchen Veränderung nicht unbedingt eine chronisch entzündliche Darmerkrankung auftreten muss. Aus diesem Grunde ist es aktuell auch nicht sinnvoll, in der täglichen Praxis Analysen des Erbgutes vornehmen zu lassen. Die Veränderungen in der Erbsubstanz führen fast alle zu einer Störung des angeborenen primitiven Immunsystems. Dieses Immunsystem sorgt dafür, dass Bakterien und Pilze rasch abgefangen und vernichtet werden. Dadurch kommen diese Erreger erst gar nicht mit dem spezifischen Immunsystem in Kontakt. Bei Vorliegen eines erblichen Schadens dieses primitiven Immunsystems gelangen Erreger zum spezifischen Immunsystem und es wird dann eine generalisierte Immunreaktion hervorgerufen, die ihrerseits wiederum den Darm schädigen kann. Offensichtlich gelingt es dem Immunsystem dann nicht mehr, die chronische Entzündung zu stoppen. Die Zusammensetzung der Darmflora spielt im Rahmen dieser Entzündungsvorgänge eine wichtige Rolle. Bei den meisten Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen liegt eine überschiessende Immunreaktion gegenüber der eigenen Darmflora vor. Umweltfaktoren beeinflussen dieses System. Interessanterweise hat das Zigarettenrauchen einen speziellen Einfluss auf die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Rauchen führt zu doppelt so häufigen Schüben bei Morbus Crohn als bei Nichtrauchern, während bei der Colitis ulcerosa das Rauchen zu einer Reduktion der Krankheitsaktivität führen kann.
Können chronisch entzündliche Darmerkrankungen durch falsche Ernährung auftreten?
Viele Patienten gehen davon aus, dass ihre chronisch entzündliche Darmerkrankung durch eine falsche Ernährung entstanden ist und versuchen eine Reihe von diätetischen Therapieansätzen. Bis heute gibt es jedoch keinerlei gesicherte Daten, dass Diätfehler chronisch entzündliche Darmerkrankungen auslösen können. Es gibt auch keine Daten, dass durch Diäten eine chronisch entzündliche Darmerkrankung geheilt werden kann. Dennoch gibt es Nahrungsmittel, die die Entzündung im Darm eher reduzieren wie beispielsweise Fischöl oder der Verzehr von Meeresfisch. Der Genuss von viel rotem Fleisch scheint eher häufiger zu Schüben zu führen als der Genuss von weissem Fleisch. Die Durchführung von Elementardiäten (Astronautenkost) kann bei einem Teil der Patienten zu einer Besserung der Symptomatik führen. Aufgrund des Vorliegens von verschiedenen sehr wirksamen Medikamenten wählen wir diesen Therapieansatz jedoch heute nur sehr selten.
Wie kann man feststellen, dass eine chronisch entzündliche Darmerkrankung vorliegt?
Sollte bei Ihnen ein Verdacht auf chronisch entzündliche Darmerkrankung bestehen, ist ein sehr einfacher Test die Bestimmung von Calprotectin im Stuhl. Ist dieser Wert erhöht, muss von Entzündungen im Darm ausgegangen werden und eine weitere Abklärung mittels Dickdarmspiegelung sollte erfolgen. Die Dickdarmspiegelung selbst wird heute meistens in Sedoanalgesie durchgeführt, d. h. der Patient schläft während der Untersuchung. Die Darmspiegelung erfordert eine gute Reinigung des Darmes mit Abführmitteln. Die Darmspiegelung selbst wird mit dünnen, beweglichen Sonden (Endoskop) durchgeführt, die auf der Spitze eine Videokamera tragen. Somit kann der gesamte Dickdarm und das Ende des Dünndarms untersucht und relevante Abschnitte in Bildern dargestellt werden. Gelegentlich sind weitere Untersuchungen notwendig, beispielsweise die Darstellung des Dünndarms mit Magnet-Resonanz-Tomographie (MRI) oder Videokapsel-Endoskopie. Bei Verdacht auf Befall des oberen Magendarmtraktes muss gelegentlich auch eine Magenspiegelung durchgeführt werden. Hierzu wird beim nüchternen Patienten ebenfalls mittels Endoskop der Magen und Zwölffingerdarm untersucht. Der Vorteil der endoskopischen Verfahren ist, dass durch das Endoskop eine Gewebeprobe mit einer kleinen Zange entnommen werden kann, welche dann mikroskopisch auf Zeichen für chronisch entzündliche Darmerkrankungen untersucht werden kann. Die Diagnose Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wird aufgrund der radiologischen, endoskopischen und mikroskopischen Beurteilung in Zusammenschau mit den klinischen Zeichen gestellt. Es gibt auch weitere Marker im Blut wie pANCA, PAB und ASCA, die eine Einordnung in Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa erleichtern. Auch Ultraschalluntersuchungen (Sonographie) können Hinweise auf den Ort und das Ausmass der Entzündung geben.
Ist es sinnvoll regelmässig in eine Crohn-Colitis-Sprechstunde zu kommen?
Viele Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen werden von Hausärzten behandelt. Der Vorteil eines spezialisierten Zentrums – wie unserem – ist, dass wir jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen haben. Insbesondere interessiert uns die Krankheitsentwicklung über die Zeit. Ein wichtiges unserer Ziele ist, dass sie auch im hohen Alter noch über einen funktionierenden Darm verfügen. Aus diesem Grunde sind wir stets bestrebt, die Entzündungsvorgänge in ihrem Darm so effektiv wie möglich zu unterdrücken. Stuhlparameter, wie die Bestimmung von Calprotectin, erlauben es uns auch ohne Endokopie eine präzise Aussage über den Entzündungszustand ihres Darmes zu machen.
Spezialproblem bei Morbus Crohn: Fisteln
Fisteln sind feine Kanäle, die meistens vom Darm ausgehen und häufig in der Haut münden. Gelegentlich entleert sich eitriges Sekret beziehungsweise auch Stuhl über Fisteln. Fisteln können leider überall hinziehen, d. h. beispielsweise vom Darm in einen anderen Darmteil, vom Darm in die Scheide, vom Darm in die Harnblase etc. Diese Veränderungen werden zum Teil medikamentös, zum Teil chirurgisch behandelt (siehe unter Chirurgie).
2. Therapien allgemein
Die Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
In unserer Crohn-Colitis-Sprechstunde werden Sie nach den modernsten und aktuellsten Therapierichtlinien behandelt. Leider ist eine dauerhafte Heilung dieser Erkrankungen bisher noch nicht möglich. Bei fast allen Patienten kann jedoch die Erkrankung mit Medikamenten so behandelt werden, dass eine normale Lebensqualität erreicht wird. Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen brauchen eine individuell gesteuerte Therapie. Aufgrund des individuellen Verlaufs, der durch jedoch auch schleichend chronische Veränderungen dann immer wieder zu Komplikationen führen kann, ist eine Betreuung durch eine auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen spezialisierte Fachperson zu empfehlen, um Spätkomplikationen vermeiden zu können. Bei der Therapie unterscheidet man zwischen medikamentösen Therapien und chirurgische Therapien sowie Begleittherapien.
Psychosomatische Therapie
Psyche und Immunsystem sind sehr eng miteinander verbunden. Patienten, die psychisch ausgeglichen sind, geht es häufig besser als Patienten, die mit gewissen Konflikten oder ihrer Krankheitssituation schlecht umgehen können. Gespräche mit speziell psychosomatisch geschulten Ärzten, die zu einer besseren Bewältigung der Krankheitssituation und sonstiger Probleme führen, können einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben.
Komplementärmedizinische Verfahren
Leider gibt es in diesem Bereich fast keine veröffentlichten Studienergebnisse über Therapieerfolge solcher Massnahmen. Somit können komplementärmedizinische Methoden nicht generell empfohlen werden. Wir diskutieren jedoch gerne diese Therapien in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen im Detail.
3. Medikamentöse Therapie
Die Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
In unserer Crohn-Colitis-Sprechstunde werden Sie nach den modernsten und aktuellsten Therapierichtlinien behandelt. Leider ist eine dauerhafte Heilung dieser Erkrankungen bisher noch nicht möglich. Bei fast allen Patienten kann jedoch die Erkrankung mit Medikamenten so behandelt werden, dass eine normale Lebensqualität erreicht wird. Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen brauchen eine individuell gesteuerte Therapie. Aufgrund des individuellen Verlaufs, der durch jedoch auch schleichend chronische Veränderungen dann immer wieder zu Komplikationen führen kann, ist eine Betreuung durch eine auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen spezialisierte Fachperson zu empfehlen, um Spätkomplikationen vermeiden zu können. Bei der Therapie unterscheidet man zwischen medikamentösen Therapien und chirurgischen Therapien sowie Begleittherapien.
Medikamentöse Therapieverfahren
Es gibt zwischenzeitlich eine Reihe von Medikamenten, die bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen angewendet werden können. Der Spezialist muss je nach Ausbreitung, Schweregrad und Verlauf der Erkrankung das entsprechende Medikament auswählen. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass sämtliche Medikamente bei maximal 80% der behandelten Patienten wirksam sind. Somit gibt es immer wieder Patienten, die auf die erste Therapie nicht ansprechen und dann mit einem Alternativmedikament versorgt werden müssen.
5-Aminosalicyl-Präparate (5-ASA, Mesalamin, Mesalazin)
Bei milden bis mässiggradigen Schüben einer Colitis ulcerosa werden diese Produkte gerne eingesetzt. Diese Medikamente können als Tabletten als auch als Schaumpräparate, Einläufe oder Zäpfchen verwendet werden. Sie sind bei Schüben wirksam als auch zur Remissionserhaltung (d. h. dass keine weiteren Schübe mehr auftreten werden). Diese Medikamente haben sehr wenige Nebenwirkungen.
Antibiotika
Es gibt Daten, dass bei Morbus Crohn der Einsatz von Antibiotika einen Schub therapieren kann.
Cortisonpräparate
Der akute, schwere Schub einer Colitis ulcerosa oder eines Morbus Crohns wird in der Regel mit Cortison behandelt. Cortisonpräparate sind als Dauertherapie nicht geeignet, da sie häufig zu Nebenwirkungen führen und in der Langzeittherapie meistens wenig effektiv sind. Nichtsdestotrotz können Schübe, die nur unregelmässig und selten auftreten, sehr gut mit diesem Medikament behandelt werden. Zu den Cortisonpräparaten gehört auch das Budesonid, welches durch geringere Nebenwirkungen charakterisiert ist. Dieses kann insbesondere beim Vorliegen eines Morbus Crohns im Übergang Dünndarm-Dickdarm angewendet werden. Die Nebenwirkungen der Cortisontherapie können im Auftreten eines Vollmondgesichtes, Akne und auch in einer Osteoporose (Knochenschwund) bestehen.
Patienten, die mehr als zwei Schübe pro Jahr haben, sollten mit sogenannten Immunsuppressiva(Azathioprin oder 6-Mercaptopurin) therapiert werden:
Azathioprin/6-Mercaptopurin
Azathioprin/6-Mercaptopurin werden als Tabletten eingenommen. Diese Therapie ermöglicht vielen Patienten langfristig schubfrei zu bleiben. Diese Medikamente können eine Reihe von Nebenwirkungen aufweisen, aus diesem Grunde ist eine regelmässige klinische als auch laborchemische Kontrolle beim Spezialisten notwendig. Beim langfristigen Gebrauch dieser Medikamente müssen regelmässige dermatologische Kontrollen durchgeführt werden, in höherem Alter sind diese Medikamente zu vermeiden. (Update 12.08.2022 Frank Seibold)
Methotrexat
Methotrexat ist ein weiteres Immunsuppressivum. Es wird wöchentlich in den Muskel oder unter die Haut gespritzt. Auch dieses Medikament soll weitere Schübe verhindern. Auch Methotrexat kann Nebenwirkungen im Bereich des Blutbildes, der Leber und der Lunge verursachen. Es kann auch zu Übelkeit und Haarausfall kommen.
Generell können und werden die oben genannten Medikamente nur dann bei Ihnen langfristig eingesetzt, wenn Sie diese ohne Nebenwirkungen vertragen.
Bei jungen Patientinnen die schwanger werden möchten, ist Methotrexat in jedem Fall zu vermeiden.
TNF-Blocker (Adalinumab (Humira®), Certolizunab Pegol (Cimzia®), Golimumab (Simponi®), Infliximab (Remicade®)
Seit über zehn Jahren sind in der Schweiz TNF-Blocker erhältlich. Diese sind im Labor hergestellte Antikörper gegen den Entzündungsbotenstoff TNF-Alpha. Häufig können in kurzer Zeit Entzündungsvorgänge im Darm unterdrückt werden, was dann zur raschen Besserung der Symptome führt. In der Schweiz sind derzeit Adalimumab, Certolizumab Pegol und Infliximab im Handel. Adalimumab und Certolizumab werden in zwei- bzw. vierwöchentlichen Abständen unter die Haut gespritzt, während Infliximab alle acht Wochen als Infusion verabreicht wird. Infliximab kann seit neustem auch als subkutane Injektion verabreicht werden. (Update Frank Seibold 12.08.2022) Diese Therapien werden meist über viele Monate gegeben. Wie bei Immunsuppressiva können diese Medikamente zur kompletten Abheilung der Darmschleimhaut führen. Auch diese Medikamente können gelegentlich zu Nebenwirkungen, in der Regel Infektionen, führen. Aus diesem Grunde muss vor Beginn der Therapie mit TNF-Antikörpern Infektionen, beispielsweise eine Tuberkulose, ausgeschlossen werden. Insgesamt hat man inzwischen über diese Medikamente viele Daten bezüglich möglicher Nebenwirkungen, die zeigen, dass diese Medikamente in der Regel sehr gut verträglich sind.
Vedolizumab (Entyvio)
Seit Juni 2015 wird Vedolizumab im Crohn-Colitis-Zentrum eingesetzt. Dieses Medikament ist ein Lymphozyten-Homing-Rezeptorblocker. Weisse Blutkörper, die über das Blut zum entzündeten Darm ziehen möchten und dort die Entzündung verstärken würden, werden über ein Schlüssel-Schloss-Prinzip an dieser Wanderung behindert. Das Medikament wird als Infusion in Woche 0, 2, 6 und dann alle 8 Wochen verabreicht. Alternativ kann es auch alle 2 Wochen subkutan angewendet werden. Es zeichnet sich durch ein günstiges Nebenwirkungsprofil aus, allerdings braucht es einige Wochen bis es eine klinische Wirkung zeigt.
Ustekinumab (Stelara®)
Stelara ist ein Interleukin 12/23 Blocker, welchem immunregulierende Aktivität zukommt.
Stelara ist sowohl bei Morbus Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa ein effizientes Medikament und zeichnet sich durch sehr wenige Nebenwirkungen aus. Stelara wird initial als Infusion gegeben, später dann alle 8-12 Wochen als subkutane Injektion. Der Vorteil von Stelara ist zudem, dass es über längere Zeit gegeben, es meist nicht zu einem Wirkungsverlust kommt. (Update 12.08.2022 Frank Seibold)
Tofacitinib (Xeljanz®)
Tofacitinib ist ein Medikament welches bei der Colitis ulcerosa eingesetzt wird. Es gehört zu der Familie JAK Inhibitoren. Dieses Medikament muss morgens und abends oral eingenommen werden. Vorteil dieser Therapie ist ein rasches Ansprechen, Nachteile sind vor allen Dingen im Anstieg der Blutfettwerte zu sehen als auch im erhöhten Risiko für Infektion insbesondere mit Herpes Zoster. Aus diesem Grund empfehlen wir vor Beginn der Therapie eine Impfung gegen Herpes Zoster (Gürtelrose). (Update 12.08.2022 Frank Seibold)
Ozanimod(Zeposia®)
Ozanimod ist für die Behandlung der Colitis ulcerosa zugelassen. Ozanimod ist ein orales Medikament mit relativ wenigen Nebenwirkungen, welches seit Längerem in der Therapie der multiplen Sklerose eingesetzt wird. Es hält die Lymphozyten in den Lymphknoten zurück, was zu einer Verminderung der Entzündung im Darm führt. Ozanimod ist insgesamt gut verträglich und kann auch langfristig eingenommen werden.
Risankizumab (Skyrizi®)
Risankizumab ist für die Behandlung des mittelschwer- bis schwer aktiven Morbus Crohn seit September 2023 zugelassen und wird seit Dezember 2023 von der Krankenkasse, nach Kostengutsprache, vergütet. Risankizumab ist ein selektiver Interleukin 23-Blocker. Die Studiendaten zeigen eine hohe Wirksamkeit bezüglich der Behandlung von Morbus Crohn bei günstigem Nebenwirkungsprofil. Die ersten 3 Medikamentengaben erfolgen intravenös, danach alle 8 Wochen als subkutane Injektion.
Weitere Medikamente dieser JAK Inhibitoren werden in den nächsten Monaten folgen.
Probiotika
Diese sind gutartige Bakterien, welche die Darmflora günstig beeinflussen sollen. Insbesondere bei der Colitis ulcerosa gibt es in der Zwischenzeit mehrere positive Studien zu diesem Therapieansatz. Der Vorteil der Probiotikatherapie ist, dass diese so gut wie nebenwirkungsfrei ist.
Neue Medikamente/Studienmedikamente
In unserem Zentrum werden Sie jederzeit über neue Medikamente und in der Schweiz laufende Therapiestudien zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen informiert.
Vitamine, Spurenelemente
Bei manchen Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa kann es notwendig sein, Eisen, gewisse Spurenelemente wie Selen, Zink sowie auch Vitamine, wie beispielsweise Vitamin B12 oder Folsäure mittels Tabletten oder Injektionen zu ersetzen.
4. Chirurgie
Im Lindenhofspital Bern und am HFR Kantonsspital Fribourg bieten wir Ihnen das gesamte Spektrum der Chirurgie des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa an. Dies wird mit den modernsten Operationstechniken durchgeführt. Danach erfolgt eine professionelle, interdisziplinäre und individualisierte Nachbetreuung.
Durch die moderne Operationstechnik der minimalinvasiven, video-assistierten Operation (Schlüsselloch-Chirurgie), kann, wo immer möglich, mit kleinsten Zugängen gearbeitet werden. Dies führt nach der Operation häufig zu weniger Schmerzen, einer schnelleren Erholung und somit einer kürzeren Aufenthaltsdauer im Spital. Nebenbei hat der Patient auch ein schöneres kosmetisches Resultat bezüglich der Narben.
Zusammen mit dem Team der Gastroenterologie und der interdisziplinären Möglichkeit in unserem überschaubaren Konzept, bieten wir Patienten ein erfahrenes Kompetenzzentrum für die Behandlung der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen schweizweit.
Morbus Crohn
Im Gegensatz zur Colitis ulcerosa, kann bei Morbus Crohn nur selten eine Heilung durch einen chirurgischen Eingriff erfolgen. In gewissen Situationen, zum Beispiel bei chronischen Verengungen (Stenosen) im Magendarmtrakt, Abzessen, Fisteln oder einem fehlenden Ansprechen auf eine differenzierte medikamentöse Therapie, lässt sich ein chirurgisches Vorgehen nicht vermeiden.
Bei der chirurgischen Behandlung des Morbus Crohn legen wir bei uns einen besonderen Wert auf ein individualisiertes Vorgehen mit möglichst darmschonender Operationstechnik. Jede Crohnerkrankung verläuft anders und somit passen wir das chirurgische Vorgehen jedem Patienten individuell an. Das Therapiekonzept wird in der regen Diskussion mit unseren Kollegen der Gastroenterologie, nach den modernsten Erkenntnissen und unter Einbezug der Bedürfnisse und Möglichkeiten des Patienten festgelegt!
Fisteln
Durch chronische Entzündungen können kleine tunnelartige Gänge, sogenannte Fisteln entstehen. Diese können sich von Darm zu Darm, von Darm zur Harnblase oder Vagina oder auch von Darm zur Haut ausbilden. Im Bereiche des Afters kommen sie mit oder ohne Beteiligung des Schliessmuskelapparates vor. Das operative Vorgehen in diesen Fällen wird je nach klinischem Bild gemeinsam mit dem Patienten besprochen und durchgeführt. Es reicht von «einfachen» Fisteloperationen mit dem Ausschneiden von analen Fisteln, Ableiten von Fisteln mittels Drainagen, Verschluss von Fisteln mittels neuartigen Fistula-Plugs, bis hin zu komplexen Operationen im Bereich der Bauchhöhle und des Afters.
Abzesse/Fisteln
Fisteln und Abzesse treten häufig in Kombination auf. Abzesse müssen chirurgisch oder mittels Drainage behandelt werden. Es ist sehr wichtig, die Behandlung nach dem Erscheinungsbild der Abszesse und Fisteln zu richten, damit zu grosse, schwierig zu reparierende Verletzungen begleitender Strukturen verhindert werden können. Das bedingt sehr häufig die Beurteilung eines erfahrenen Chirurgen.
Stenosen/Verengungen
Der Morbus Crohn führt durch langandauernde, chronische Entzündungen im Bereich des Darmes zu Vernarbungen und später zu Verengungen an diesen Stellen. Dadurch kann die Stuhlpassage behindert werden. Darmdurchbrüche oder die Entstehung von Blindgängen (Fisteln) sind nicht selten die Folge einer langdauernden chronischen Erkrankung. Falls eine Aufdehnung (Ballondilatation) mittels Darmspiegelung nicht möglich oder nicht erfolgreich ist, muss die Verengung chirurgisch entfernt werden. Hierbei muss immer ein möglichst darmschonendes Vorgehen gewählt werden (Strikturoplastik oder begrenzte Resektion).
Chronische Entzündungsherde
Bei fehlendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie ist in letzter Zeit in der Wissenschaft zunehmend wieder ein chirurgisches Vorgehen als vorteilhaft belegt worden. Die äusserst sparsame Entfernung eines chronisch entzündeten Crohnherdes am Darm kann die Medikamenteneinnahme reduzieren und häufig für lange Zeit Ruhe vor einem erneuten Schub bringen. Je nach vorliegendem klinischem Bild erwägen wir eine solche Indikation anhand unserer langen Erfahrung sehr sorgfältig, gemeinsam mit dem spezialisierten Team der Gastroenterologie.
Wenn nötig müssen diese chirurgischen Therapien in genauer Abstimmung mit der Verabreichung von TNF-Blockern erfolgen. Diesbezüglich verfügen wir über wohl die längste Erfahrung schweizweit, da wir die erste Klinik in der Schweiz waren, die mit diesen Medikamenten Crohn-Patienten im Rahmen einer Studie behandelt haben.
Colitis ulcerosa
Im Gegensatz zum M. Crohn ist die Colitis ulcerosa mit der Entfernung des Dickdarmes und Enddarmes (Proktokolektomie) heilbar. Diese Operation wird in den meisten Fällen dann durchgeführt, wenn die heute verfügbaren Medikamente zu wenig Wirkung zeigen, oder der Patient im Rahmen der Nebenwirkungen diese Medikamente nicht mehr einnehmen kann.
In folgenden Situationen ist ein operatives Vorgehen gerechtfertigt:
– mangelndes oder fehlendes Ansprechen auf die bestehende medikamentöse Therapie
– schwerster, akuter und lebensbedrohlicher Entzündungszustand des Dickdarmes mit
sofortiger notfallmässiger Entfernung des Dickdarmes
– nicht stillbare Darmblutungen bei schwerem Colitis Schub
– langjährige Erkrankung mit dem Risiko der Ausbildung eines Dickdarmkrebses durch
die chronische Entzündung des Darmes
Die totale Proktokolektomie mit vollständiger Entfernung des Dick- und Enddarmes erfolgt bei uns mittels Video-assistierter Schlüsselloch-Chirurgie. In vielen Fällen kann die Wiederherstellung der Darmkontinuität erfolgen! Bei Notfalleingriffen muss meistens ein künstlicher Darmausgang angelegt werden! Dies ist jedoch bei uns sehr selten. Wir versuchen, wenn immer möglich, die Anlage eines definitiven künstlichen Darmausganges zu vermeiden. Folgende Operationen werden je nach Krankheitssituation durchgeführt:
Die totale Proktokolektomie mit Anlage eines terminalen Ileostoma (künstlicher Darmausgang)
Nach der Entfernung des Dickdarmes (mit oder ohne Mastdarm) endet der Dünndarm als künstlicher Darmausgang über die Bauchdecke im Unterbauch. Dies ist die häufigste Operation im Notfall und muss in einem erfahrenen Zentrum nur noch selten bei geplanten Operationen durchgeführt werden!
Als Nachteil dieser Methode ist die psychische Belastung und Störung der körperlichen Integrität der Patienten durch einen künstlichen Darmausgang sowie die Anfälligkeit auf grosse Flüssigkeits- und Salzverluste über das Ileostoma.
Diese Operation kann aber nötig werden, wenn der Patient/die Patientin eine Schädigung des Afterschliessmuskels hat und durch den häufig deutlich dünneren Stuhlgang mit erhöhter Stuhlfrequenz durch die entstehende Stuhl-Inkontinenz (Unmöglichkeit den Stuhl zu halten) in der Lebensqualität starke Einbussen hat.
Wenn diese Operation im Notfall durchgeführt wird, ist eine spätere Operation mit Wiederherstellung der Darmkontinuität zur Vermeidung des definitiven künstlichen Darmausganges häufig möglich. Das heisst der Patient hat eine zweite Operation einige Monaten nach der ersten, um den künstlichen Darmausgang rückgängig zu machen.
Totale Proktokolektomie mit kolo-analer Pouchanastomose
Nach der vollständigen Entfernung des Dickdarmes inklusive des Mastdarmes wird aus Dünndarmschlingen ein neuer Enddarm angelegt, der eine gewisse Reservoir-Funktion besitzt und an den analen Schliessmuskel angeschlossen wird. Der Weg der normalen Stuhlpassage bis zum After kann somit erhalten werden. Meistens wird diese Operation mit der vorübergehenden Anlage eines künstlichen Darmausganges durchgeführt damit der neue «Dünndarm-Mastdarm» gut einheilen kann. Mit dieser Operationstechnik kann man gefährliche Komplikationen vermeiden! Nach 4 bis 8 Wochen wird mit einer viel kleineren Operation dieser künstliche Darmausgang in Teilnarkose rückgängig gemacht.
Das operative Vorgehen bei Colitis ulcerosa wird von unserem interdisziplinären Team gemeinsam mit dem Patienten abgewogen, die bestmögliche Lösung für den Patienten gefunden und sorgfältg geplant, um eine individuelle Gestaltung der Lebenssituation zu ermöglichen.
5. Sprechstunde und Lounge
Ist es sinnvoll regelmässig in eine Crohn-Colitis-Sprechstunde zu kommen?
Viele Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen werden von Hausärzten behandelt. Der Vorteil eines spezialisierten Zentrums – wie unserem – ist, dass wir jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen haben. Insbesondere interessiert uns die Krankheitsentwicklung über die Zeit. Ein wichtiges unserer Ziele ist, dass Sie auch im hohen Alter noch über einen funktionierenden Darm verfügen. Aus diesem Grunde sind wir stets bestrebt, die Entzündungsvorgänge in ihrem Darm so effektiv wie möglich zu unterdrücken. Stuhlparameter, wie die Bestimmung von Calprotectin, erlauben es uns auch ohne Endoskopie eine präzise Aussage über den Entzündungszustand ihres Darmes zu machen.
Lounge
Für Patienten, die eine Infusionstherapie benötigen oder sich nach einem Kleineingriff erholen müssen, haben wir zwei bequeme Lounges eingerichtet. Gerne können Sie Ihre Unterhaltungselektronik mitbringen.
6. Stuhltransplantation: Die neue Wundertherapie?
Die Darmflora spielt bei verschiedenen Darmerkrankungen eine massgebliche Rolle. Aus diesem Grunde wurde schon vor Jahrzehnten versucht, die Darmflora durch Stuhleinläufe zu normalisieren. Bereits 1958 wurde die erste Stuhltransplantation durchgeführt. Neuere Daten zeigen, dass Patienten mit einer bakteriellen Durchfallerkrankung, die durch den Keim Clostridium difficile verursacht ist, durch eine Stuhltransplantation langfristig beschwerdefrei sind. Auch bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wurde diese Technik mehrfach angewendet.
Die Therapie klingt auf der einen Seite etwas ekelerregend, auf der anderen Seite ist diese einfach. Nach einem standardisierten Verfahren wird der Spenderstuhl auf die gesamte Länge des Dickdarms verabreicht. Problematisch an dieser Therapie ist, dass keine guten Studiendaten vorliegen. Alle publizierten Daten umfassen bisher nur kleine Fallserien, so dass verbindliche Therapieempfehlungen im Moment nicht abgegeben werden können.
Nach unserer Meinung ist die Stuhltransplantation für Patienten reserviert, bei denen mit herkömmlicher medikamentöser Therapie keine Erfolge mehr zu erzielen sind. Grund hierfür ist zuletzt nicht auch die Angst, dass mit dem Spenderstuhl Krankheiten übertragen werden können. Aktuelle Daten weisen sogar darauf hin, dass selbst Krankheiten wie Fettleibigkeit mit der Zusammensetzung der Stuhlflora zu tun haben könnten.
Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass die Durchführung dieser Therapie bei Patienten mit Clostridium difficile-Infektion sehr gut funktioniert, während es bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen nur zum Teil zum Abheilen der Entzündung kommt.